Energie sparen

Ist das nicht praktisch – und entlastend? Jedes Mal, bevor ich den Laptop abstelle und mich vom Schreibtisch erhebe, bietet sich mir die Gelegenheit zum „Energie sparen“. Das Hauptmenu gibt mir die Wahl zwischen „Herunterfahren“, „Energie sparen“ und „Neu starten“.  Wie wunderbar: wenn ich aufhöre zu arbeiten, spare ich gleichzeitig Energie – meine Energie. Ich erhalte Gelegenheit neu zu schöpfen, mich anderem zuzuwenden, Ausgleich zu finden.

Ich hätte auch „Herunterfahren“ wählen können: dies spart erst Recht Energie, die elektrische wie auch meine persönliche. Abschalten, zur Ruhe kommen – auf dass ich zur gegebenen Zeit wieder „Neu starten“ kann.

Sowas Ähnliches scheinen wir derzeit als ganze Weltgemeinschaft zu erleben: der „Corona-Virus“ unterbricht die wahnwitzige Betriebsamkeit im Hamsterrad. Es liegt an jeder/jedem Einzelnen von uns zu entscheiden, ob sie/er jetzt die Funktion „Energie sparen“ oder „Herunterfahren“ wählen will; zum „Neu starten“ ist es jedenfalls noch zu früh.

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R.D.Precht’s „Utopie für die digitale Gesellschaft“

Precht, Richard David: Jäger, Hirten, Kritiker – eine Utopie für die digitale Gesellschaft, Goldmann-Verlag München, 2018

Precht unternimmt einen klugen Ausblick auf das, was kommen mag. Und er bemüht sich, der gesellschaftlichen Entwicklung und insbesondere der Digitalisierung auch gute Aspekte abzugewinnen. Er verhehlt aber nicht, dass wir kulturgeschichtlich möglicherweise (vermutlich) noch nicht reif seien für eine sinn- und massvolle Anwendung dieser neuen Technologien.
Die Lektüre dieses Buches hat meinen Skeptizismus nur noch verstärkt. Dennoch habe ich einige Passagen abgeschrieben, die mich besonders anstacheln und zum Weiterdenken anregen.
Zum Zeitpunkt der Lektüre im Januar 2020 konnte ich noch nicht ahnen, dass der fett gesetzte Satz im drittletzten Abschnitt so bald eine Entsprechung finden würde: zwei Monate später haben wir die weltweite „Corona-Krise“ und damit – hoffentlich – jenen „Punkt, an dem man zwingend hätte Halt machen müssen“.

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So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht.

Für diesen Ausspruch habe ich keine eindeutige Autorenschaft gefunden. Vielleicht ist es einfach so, dass sich manchmal Erkenntnisse herausbilden und gewissermassen ins allgemeine Bewusstsein drängen, weil sie einfach „reif“ sind. Wohl in diesem Sinne nimmt Christoph Pfluger den Satz auch auf in seinem Buch „Strategie der friedlichen Umwälzung – eine Antwort auf die Machtfrage“, welches diesen Oktober 2019 in der edition Zeitpunkt erschienen ist.
So geht es nicht weiter, wenn es so weitergeht. Beim Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr und auf die gesellschaftliche Dynamiken, die sich zuweilen still und zuweilen lautstark manifestiert hatten, dämmert Vielen von uns diese Erkenntnis. In meinem mehrheitlich sozial-ökologisch orientierten Bekanntenkreis keine absolute Neuigkeit. Was mich jedoch erstaunt: Während der letzten drei Tage bin ich gleich auf drei Personen gestossen, von denen ich diesen Satz nicht in solcher Klarheit erwartet hätte.

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Wissenswertes und Nachdenkliches zur Olivenproduktion in Europa

Hochachtung gebührt den coltivatori della domenica
Im locker-informativen Lesebuch von Dorothea Löcker (Lesereise Kulinarium Italien, Oliven, Wein und jede Menge Pasta, Picus-Verlag Wien, 2011) schlage ich das Kapitel „Oliven und Meer – die wichtigste Jahreszeit an der ligurischen Küste“ auf. Nebst landwirtschaftlichen, gastronomischen und kulturellen Informationen sind hier auch kritische Perspektiven auf die EU-Landwirtschaftspolitik herauszulesen. Tatsächlich wird die Differenz zwischen einem rational-technokratischen bzw. bürokratischen Effizienz-Denken einerseits und der naturgegeben arbeitsintensiven Olivenproduktion anderseits besonders drastisch sichtbar. Leidenschaftliche ligurische Olivenöl-Produzenten beklagen die mangelnde politische Unterstützung des Olivenanbaus, die bürokratischen Hürden und die ausbleibende Wertschätzung dieser Jahrhunderte alten Kultur.

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Il grande cretto – der grosse Riss

In der Nacht vom 14. zum 15.Januar 1968 zerstörte ein gewaltiges Erdbeben die 6000-Einwohner-Stadt Gibellina und mit ihr viele weitere Dörfer im westsizilischen Belice-Tal, einer sehr armen bäuerlichen Bergregion. Über tausend Menschen kamen dabei um und mehr als hunderttausend Menschen wurden obdachlos. Den Berichten nach löste dieses Unglück zwar grosse Hilfsbereitschaft aus; es seien aber grosse Teile der Hilfsgelder in mafiösen Kanälen versickert, während die Bevölkerung immer noch in notdürftigen Baracken hauste.

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„Ich brauche nicht mehr“

„Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann, Tectum Wissenschaftsverlag 2019
I.M.Eckermann gibt mit diesem umfangreichen Buch einen guten Abriss über einen anspruchsvollen Themenbogen: Glück und Lebenskunst in der antiken, griechischen Philosophie, die keineswegs neue Sucht des „immer mehr“ (Pleonexia), welche sie als dem Kapitalismus und Konsumismus eigen beschreibt. Schliesslich wird detailreich und unterhaltsam dargelegt, welche Rolle Medien und Marketing in einer kapitalistischen Welt einnehmen. Dass die sattsam bekannten „Grenzen der Wachstumsgesellschaft“, die Ressourcenknappheiten sowie die Umweltbelastungen ein Umdenken erfordern, wirkt heutzutage recht offensichtlich und nachvollziehbar. Die Autorin liefert viele konkrete Ideen und Tipps zu einem minimalistischen, rücksichtsvollen und nachhaltigen Lebensstil und plädiert für eine Konsumgelassenheit. Wenn der Schreibstil zuweilen auch etwas salopp und leichtfüssig daherkommt, so sind die Gedankengänge jedenfalls umfassend und fundiert und das Buch liest sich locker. I.M.Eckermann scheut nicht zurück vor sehr kritischen Gedanken zum zuweilen paradoxen Verständnis von Arbeit und sie hat viele ihrer Anregungen auch selbst ausprobiert. Vor allem die fundierten Bezüge zur griechischen Philosophie scheinen mir sehr erhellend und einleuchtend und machen deutlich, dass die Suche nach Glück, Erfüllung und Gelassenheit alle Kulturen durchdringt; Lebenskunst als ur-menschliches Thema.

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Vom Suchen und Finden

„Es ist extrem schwer die Wahrheit herauszufinden wenn man die Welt beherrscht. Man hat einfach viel zu viel zu tun. Die meisten politischen Oberhäupter und Wirtschaftsmoguln sind ständig beschäftigt. Doch wenn man sich eingehend mit einem Thema beschäftigen will, braucht man viel Zeit, und vor allem braucht man das Privileg, Zeit verschwenden zu können. Man muss mit unproduktiven Wegen experimentieren, Sackgassen erkunden, Raum für Zweifel und Langeweile schaffen und zulassen, dass kleine Samen der Erkenntnis nur langsam gedeihen und blühen. Wer es sich nicht leisten kann, Zeit zu verschwenden, der wird die Wahrheit niemals finden.“ (Aus: Yuval Noah Harari, 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, C.H.Beck-Verlag, München 2018)

In Trogen regnet es heute – nach einer längeren Spätsommer-Phase – wieder mal kräftig. Wir haben gepackt und sind bereit für den Zug (bzw. die Fähre) mit den Vögeln in den wärmeren Süden: Sizilien und Kalabrien sind die nächsten Destinationen. Was wir wohl finden werden?

Zeitwohlstand - wie wir anders arbeiten, nachhaltig wirtschaften und besser leben

Autoren: Hartmut Rosa, Niko Paech, Friederike Habermann, Frigga Haug, Felix Wittmann, Lena Kirschenmann
Konzeptwerk Neue Ökonomie (Hrsg.), Oekom Verlag, München 2014

Bei »Zeitwohlstand«  denkt man vielleicht zunächst einmal an Urlaub. Aber Urlaub wovon? Vom Alltag? Von der Arbeit? Vom Stress? Bestimmt. Aber Zeitwohlstand als Urlaub im Dauerzustand? für viele eine eher schauderhafte Vorstellung. Neben unserem Bedürfnis nach Entspannung wollen wir doch auch etwas schaffen, »produktiv sein«.  Hier wird die Frage nach Zeitwohlstand schnell kompliziert aber auch interessant. Genau deswegen startete das Konzeptwerk Neue Ökonomie im Juli 2012 eine Veranstaltungsreihe zu diesem Thema unter dem Motto Arbeit und Wohlstand neu definieren – Politische Diskussion und Vergnügen kommen zusammen . Wir haben Vorträge gehört, hinterfragt und diskutiert. Dazu haben wir vegane Torten gebacken und gleich gegessen, Konzerte gehört und ein fiktives Arbeitsamt besucht. Alle RednerInnen der Vortragsreihe haben für dieses Buch einen Text geschrieben. Hinzu kommen Beiträge der VeranstalterInnen, Spiele und Bauanleitungen und da haben wir es, ein Buch über Zeitwohlstand. (Seite 8)

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