Woche 12 / 10. – 16.Juni

Am Pfingstsonntag verabschiedeten wir uns im Caillou Blanc. Der Weg führte uns via Pleyben (mit seinem berühmten “ enclos paroissial“, der Einheit von Kirche, Triumphtor, Beinhaus und „calvaire“) nach Huelgoat. Mitten im „Parc régional de l’armorique“ und inmitten einer riesigen urtümlichen Wald-Landschaft liegt dieser Ort an einem idyllischen Waldsee. Unser Besuch hier ist allerdings von grauen Wolken und heftigen Regengüssen geprägt. Für uns wird plastisch nachvollziehbar, weshalb die Bretagne eine derart grüne Landschaft ist …. Die geradezu mystisch anmutende Felsen-Schlucht bei Huelgoat konnten wir in einer Regenpause durchwandern. Eindücklich.

Die Nacht verbrachten wir dann bereits an der Côte du granit rose, zwar einige Kilometer hinter der Küste beim Stellplatz des Parc Randôme, dafür mit einem überraschenden Konzert gleich nebenan.

Tags darauf die Küstenwanderung im Vogelschutzgebiet der Ile Grande; der Zugang zu dieser im vorderen Teil recht dicht besiedelten Insel ist in der Regel über eine Furt möglich, bei Flut und hohem Gezeiten-Koeffizienten ist die Zufahrt dann jedoch stundenweise überflutet. Natürliche Verkehrs-Regulation.

Am diesem Pfingstmontag wage ich mich – bei herrlich dramatischem Wolken-Szenario und kühlem Wind – zum zweiten Mal ins Meer, an der Plage de la Grève Blanche bei Trécastel. Bei 16 Grad lässt es sich schon angenehm schwimmen. Da die Wetterprognose schlecht ist, steuern wir den Campingplatz „les 7 îles“ in Port l’Epine an. Direkt am Meer mit Blick nach Westen „vertäuen“ wir uns in Erwartung des angesagten Sturms. Dieser kommt zuverlässig, zerrt und schaukelt an unserem Bus während der Nacht … und gewährt uns anschliessend einen ausgiebigen Regentag mit Zeit zum Whatsappen und Blog nachführen. Im späten Dienstag-Nachmittag wagen wir dann den Aufbruch …. und siehe da, auch der Himmel reisst auf. An der „Bilderbuch-Küste“ der Pointe du Château bei Le Gouffre ergibt sich ein wunderschöner Strand-Spaziergang in malerischer Landschaft; wieder ein Stück auf dem Sentier des douaniers. Der Stellplatz am Bois du poète in Tréguier bietet uns eine ideale Übernachtungsmöglichkeit, direkt am Fluss der hier noch deutlich vom Gezeitenstand geprägt ist. Das Städtchen Tréguier nimmt uns sofort „den Aermel rein“: das sehr schöne und kompakte Gesicht der Stadt, etwa bei Kathedrale und Marktplatz, das warme abendliche Sonnenlicht, bezaubernd. Es sind aber auch die zahlreichen originellen und unkonventionellen Dekors und Kulturplakate, Zeichen und Sprüche, die bei uns den Eindruck einer quirligen Stadt mit vielen kreativen Menschen hinterlassen.

Der Mittwoch beginnt wieder mit Regen; somit verzichten wir auf den Marktbesuch und fahren gleich ein grosses Stück weiter nach Osten: Mittagshalt mit Muschel-Essen in Binic. In Dol-de-Bretagne eine Ruhepause mit Besuch der Kathedrale und des Museums: das Cathédraloscope hat den Anspruch, mit modernen Mitteln darzustellen, unter welchen Bedingungen die Kathedralen seinerzeit erbaut worden sind. Nun, die Werbung hat meines Erachtens mehr versprochen als geboten wurde: das Museum hat mir nicht besondere Neuigkeiten erschlossen. Aufschlussreich war allerdings der mehrfache Hinweis, dass die Kathedralbbauten meist Kollabborationsprojekte weltlicher und kirchlicher Mächte waren, und dass die Zünfte die damaligen MEGA-Projekte wohl auch als willkommene Arbeitsbeschaffung sahen. Das 12. und 13.Jahrhundert wird in diesem Kontext als prosperierendes und *reiches“ Zeitalter dargestellt.

So eingestimmt übernachten wir auf dem sympathischen Stellplatz La Bidonnière in Ardevon, mit direktem Blick auf den Mont St.Michel. Den ganzen Donnerstag verbringen wir sodann um und auf diesem eindrücklichen Klosterberg. Wenn auch touristisch übersteuert, so bleibt die einmalige Lage und die bauliche Geschiche dieses Ortes doch einzigartig. Wir lassen uns viel Zeit, die Atmosphäre zu erfahren und nehmen mittags am Gottesdienst teil: eine kleine aktive Gemeinschaft von Nonnen und Mönchen belebt das Kloster des Mont St.Michel wieder. Eindrücklich auch das Spiel der Gezeiten um diesen Hügel und die endlose Weite des Strandes bei Ebbe. Abends ziehen wir weiter an die gegenüberliegende Küste, wo uns Park4night einen wunderschön einsamen Stellplatz in den Dünen von Génets empfahl, mit direktem Blick auf den Mont St.Michel und endlich auch mit einer sonniger Morgenstimmung.

Freitags die Weiterfahrt nach Bayeux, wo Renata die weltberühmte gestickte Tapisserie besichtigt; auf einem 70 Meter langen Band ist die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer dargestellt. Anschliessend erreichen wir den eindrücklich gelegenen Natur-Stellplatz direkt über der Steilküste in Longues-sur-mer. Schon sonderbar, dass die Eroberungs- und Kampf-Geschichten an dieser Küste derart präsent sind; es ist wohl dem aktuellen Jubiläumsjahr des Débarquement zuzuschreiben, dass die Bunker-Anlagen aus dem zweiten Weltkrieg derzeit so stark besucht werden.

Am Samstag dann die grosse Etappe an die Aermelkanalküste bei Ambleteuse, wo wir auf einem Pferdezuchthof einen idyllischen Stellplatz mit herrlicher Sicht auf Meer und Dünen vorfinden. Die „dunes de la slack“ bieten herrliche Spaziergänge und lassen nachvollziehen, wie fragil die Vegetation hier ist. Etwas wehmütig verlassen wir am Sonntagnachmittag diesen schönen Platz. Die Fahrt entlang der normannischen Opal-Küste und zum Cap du Nez Gris bezaubert uns erneut und lässt erstmals die Lust aufsteigen, später auch mal die Küsten Englands und Irlands zu besuchen; zumal wir hier, an der engsten Stelle des Aermelkanals die Felsen der englischen Küste schwach erkennen können. Anschliessend geht es in flotter Fahrt weiter nach Belgien, wo uns am Montag unser nächster Workaway-Einsatz erwartet.

Was bleibt …. ist die Liebe

Es dürfte 1977 gewesen sein, als ich 19-jährig meine erste Reise alleine per Autostopp durch Frankreich unternahm. Die Reisestrecke ergab sich damals aus den Mitfahrgelegenheiten: Saarbrücken, Metz, Caen in der Normandie, Bayeux, Mont St.Michel, Binic in der Bretagne, Saint Brieux, Paris, Dijon, Taizé … so etwa die Etappenziele. Was mir besonders in Erinnerung blieb, nebst den üblichen Sehenswürdigkeiten? … In Binic ass ich die ersten Langoustines meines Lebens; vom Kellner musste ich mir erklären lassen, wie man diese isst. Im Hintergrund lief ein französischer Chanson, der damals gerade hoch im Kurs war: „Prendre un enfant par la main“ von Yves Duteil. Ein sehr feinfühliger Text, der es in sich hat. Fabienne Marsaudon, welche wir beim Brel-Barbara-Konzert erleben durften, hat mir dieses schöne Lied wieder in Erinnerung gerufen. Unten der Liedtext in Originalsprache (weil er nur in französisch so melodiös und prägnant klingt).

Und der Klassiker von Jacques Brel durfte natürlich auch nicht fehlen: Quand on a que l’amour … wunderschön schlicht und glaubwürdig interpretiert von Fabienne Marsaudon.

Zwei Liedtexte, die für mich eine starke Antithese darstellen zur scheinbaren Zwangsläufigkeit von Krieg, Gewalt, Profitgier und Eigennützigkeit.

PRENDRE UN ENFANT PAR LA MAIN (Yves Duteil, 1977)

Prendre un enfant par la main
Pour l’emmener vers demain
Pour lui donner la confiance en son pas
Prendre un enfant pour un roi

Prendre un enfant dans ses bras
Et pour la première fois
Sécher ses larmes en étouffant de joie
Prendre un enfant dans ses bras

Prendre un enfant pas le coeur
Pour soulager ses malheurs
Tout doucement sans parler sans pudeur
Prendre un enfant sur son coeur

Prendre un enfant dans ses bras
Mais pour la première fois
Verser des larmes en étouffant sa joie
Prendre un enfant contre soi

dou, dou, dou, dou…

Prendre un enfant par la main
Et lui chanter des refrains
Pour qu’il s’endorme à la tombé du jour
Prendre un enfant par l’amour

Prendre un enfant comme il vient
Et consoller ses chagrins
Vivre sa vie des années et soudain
Prendre un enfant par la main

En regardant tou au bout du chemin
Prendre un enfant pour le sien

Quand on n’a que l’amour (Jacques Brel, 1956)

Quand on a que l’amour 
A s’offrir en partage 
Au jour du grand voyage 
Qu’est notre grand amour

Quand on a que l’amour 
Mon amour toi et moi 
Pour qu’éclatent de joie 
Chaque heure et chaque jour 

Quand on a que l’amour 
Pour vivre nos promesses 
Sans nulle autre richesse 
Que d’y croire toujours 

Quand on a que l’amour 
Pour meubler de merveilles 
Et couvrir de soleil 
La laideur des faubourgs 

Quand on a que l’amour 
Pour unique raison 
Pour unique chanson 
Et unique secours 

Quand on a que l’amour 
Pour habiller matin 
Pauvres et malandrins 
De manteaux de velours 

Quand on a que l’amour 
A offrir en prière 
Pour les maux de la terre 
En simple troubadour 

Quand on a que l’amour 
A offrir à ceux là 
Dont l’unique combat 
Est de chercher le jour 

Was bleibt?

Ich stehe am Strand des D-Day in der Normandie, bei Longues-sur-Mer nördlich von Bayeux. Vor einer Woche wurde an dieser Küste dem „Débarquement“ der Alliierten vor 75 Jahren gedacht. Mit diesem massiven Angriff sei das Ende der Nazi-Herrschaft eingeleitet und damit das Ende des zweiten Weltkrieges möglich geworden. Die französischen Medien haben intensiv darüber berichtet; Städte, Museen und Kulturveranstalter haben grosse Veranstaltungsreihen eingerichtet. Ausstellungen und Plakataushänge ehren die Soldaten und Helden von damals; durchaus auch die Heldinnen und Helden der „Résistance“ und die freiwillig solidarischen Einsätze der Zivilbevölkerung etwa in der zum „Lazarett“ mutierten Stadt Bayeux. In den Kirchen erinnern Plakatreihen an jene Menschen, die in den Grausamkeiten des Krieges ihre spirituelle Kraft entwickelt hatten und für Friede und Versöhnung eingestanden sind.

Der Blick auf die Küste mit Ihren Überresten von Befestigungs-Anlagen (und Massen-Friedhöfen) macht nachdenklich, sprachlos. Der Gedanke an das unermessliche Elend, das mit dem Krieg einherging, wirkt ohnmächtig. Gut, dass der Geschichte gedacht und der Sprachlosigkeit entgegen gewirkt wird. Bleibt zu hoffen, dass diese Veranstaltungen nicht bloss der „Glorifizierung“ und kommerziellen Interessen dienen.

Dieser Stein in meiner Hand lag am Strand des D-Day. Was er schon alles erlebt haben mag? Die Natur nimmt hier ihren Lauf, wirkt schlicht, schön, unversehrt. Die Kräfte der Ge-Zeit-en wirken unbeirrt weiter. Was ist wohl härter, Stein oder Wasser? (Gewalt oder Liebe?) Normalerweise sucht sich das Wasser den „Weg des geringsten Widerstands“, umspült den Stein, mäandriert durch die Landschaft. Doch ist es nicht genau dasselbe Wasser, das in stürmischer Brandung alles mitreisst und auch harte Steine in beharrlicher Bewegung rund schleift und schliesslich gar zu Sand zermahlt? Panta rhei – alles fliesst.

Kurzer Abstecher in die Wüste

Tatsächlich eine besondere „Wüste“

Hier hat es gerade erst geregnet, einige Zonen sind noch von abfliessendem Wasser gezeichnet. Diese besondere „Wüste“ wird nämlich zweimal täglich überflutet. Ja, richtig geraten, wir sind in der Baie des Mont-Saint-Michel. Die Landesteile Bretagne und Normandie beanspruchen diese einzigartige Landschaft je für sich; da ist es salomonisch weise, dass die grossartige Bucht und der beeindruckende Klosterberg gleich zum UNESCO-Welterbe erklärt wurden.

Wochen 9 bis 11 / 20.Mai bis 9.Juni 2019

Am Samstagabend 18.Mai sind wir bei unseren Freunden Monique und Nicolas und damit auch in der Arche-Gemeinschaft „Le Caillou-Blanc“ angekommen, in Clohars-Fouesnant in der südlichen Bretagne. Und am Pfingstsonntag 9.Juni ging die Reise dann wieder weiter, an die nördliche Küste der Bretagne. Dazwischen drei sehr intensive Wochen voller Begegnungen.

Unser insgesamt fünfmonatiger Einsatz vor 28 Jahren in dieser Gemeinschaft hatte uns nachhaltig geprägt. Der unvoreingenommene Empfang, die Bereitschaft sich Tag für Tag überraschen zu lassen, der damalige Pioniergeist und das tägliche Improvisieren hinterliessen bei uns bleibende Eindrücke. Diese gelebte Grosszügigkeit und Nonchalance empfanden wir als „typisch französisch“, das kompromisslose soziale Engagement und die pragmatische Tatkraft als „typisch Arche“. Erfahrungen, die uns beflügelten. So nimmt uns natürlich Wunder, was hier in den 28 Jahren gegangen ist: Wie hat sich diese Gemeinschaft entwickelt? Was unterscheidet sie heute noch von „gewöhnlichen“ sozialen Institutionen? Welche Herausforderungen stellen sich … und wie gehen die Menschen damit um?

Zunächst die freudigen Begegnungen: Wieder-Erkennen, Herzlichkeit und gemeinsame Freude über die Erinnerungen von damals. Einige der „alten“ Bewohnerinnen und Bewohner haben mit uns gealtert, andere sind zwischenzeitlich verstorben oder weggezogen; deren Eigenheiten und Originalität bleibt in Erinnerung.  Dann die herzlichen Begegnungen und spannenden Gespräche mit den Pionieren von damals: Ja, die Gemeinschaft hat in dieser Zeit einen grossen Sprung gemacht, hat sich hinsichtlich Gebäuden, Werkstätten und Personal mehr als verdoppelt, hat staatliche Anerkennung erlangt, hat staatliche Finanzierung und ebensolche Normen übernommen und sich professionalisiert. 

Renata engagiert sich in diesen drei Wochen an der Seite von Monique im Foyer „Ty Levenez“: Haushalten, Kochen, Putzen, Spiele und Gespräche mit zu betreuuenden BewohnerInnen. Ich, Christoph, helfe wiederum in der Schreinerei mit und treffe auch da auf „alte Bekannte“. Zusammen mit Serge und Jimmy gilt es, beim renovierten Foyer St.Joseph eine Holzverkleidung (Balkon-Untersicht) zu montieren. Zusammen mit Xavier und Pascal entstehen neue Bühnen-Sockel: bohren, schleifen, lasieren, lackieren.

Beim Malen der Bühnensockel („les supports de la scène“) tauchen spontane Überlegungen auf: Welches sind wohl die Sockel bzw. Fundamente der hiesigen Gemeinschaft? Vor 28 Jahren war die Communauté gerade mal 8 Jahre alt; noch voll und ganz in der Pionierphase. Ein nachhaltiger Eindruck für uns war damals die „bedingungslose Offenheit für alle und alles was da kommen mag“. Aus der religiös geprägten Grundhaltung heraus wurde willkommen geheissen, wer immer unter der Tür stand; man ging von der Annahme aus, dass eine höhere Macht diesen Menschen geschickt habe und er somit am richtigen Ort angekommen sei. Diese Haltung des „acceuil“ entwickelte eine unglaubliche Kraft – von der letztlich auch wir profitierten und uns anstecken liessen. Und heute? Die Begrüssungsrituale, die gegenseitige Aufmerksamkeit, das Interesse aneinander und das lockere Miteinander fallen auch heute noch auf und schaffen ein angenehm warmes Betriebsklima.

Und wie steht es heute um die spirituelle Basis bzw. die erwähnte Grundhaltung der „bedingungslosen Offenheit“? Aus einzelnen Schilderungen muss ich entnehmen, dass sowohl auf Klienten- als auch auf Personalebene die heute gängigen Kriterienlisten und Selektionsprozesse angewendet werden. Inwiefern lässt ein funktionsbezogener und rational gesteuerter Auswahl-Prozess noch „Überraschungen“ und ungeahnte Entdeckungen zu? Wo kann das „bedingungslose JA“ zum gegenüberstehenden Menschen heute seine Kraft entfalten?

Die Formen, sich der gemeinsamen spirituellen Basis zu vergewissern, scheinen sich mit dem Generationenwechsel in der Gemeinschaft auch zu verändern. Ökumenische und interreligiöse Offenheit ist zur Selbstverständlichkeit geworden, gut so. Gebetszeiten und Gottesdienste sprechen offensichtlich nicht mehr alle an; sehr beachtenswert, dass die Gemeinschaft diese Formen nicht zur moralischen Keule erklärt und damit dem Prinzip der Freiwilligkeit treu bleibt. Anderseits wird es damit immer schwieriger, eine gemeinsame Haltung zu pflegen, besonders wenn auf viele kurzzeitige, freiwillige und nicht-professionelle Mitarbeitende gesetzt wird. Die Reflexion des eigenen Handelns bleibt eine ständige Herausforderung und Kern der Assistenten-Begleitung.  Spontane Offenheit, Kreativität, gemeinsames Feiern und die Freude am lockeren Miteinander scheint auch der jüngeren Generation zu entsprechen. Wie kann darin eine minimale Verbindlichkeit vereinbart und gelebt werden? Und wie kann das gemeinsame Ziel („das Willkommen-heissen und das gleichwertige Miteinander mit Menschen mit Behinderung“) wachsam im Bewusstsein gehalten und kontinuierlich verfolgt werden? Wie kann Mitverantwortung aktiv und gleichwertig gelebt werden? Gibt es – über das gemeinsame Feiern hinaus – neue und verbindende Rituale?

Bertrand, der eigentliche Gründer der Gemeinschaft, ist mittlerweile pensioniert. Seine Pionierkraft setzt er heute für Hilfsprojekte in Albanien ein: gerade ist er wieder mit einer Equipe aus dem Caillou-Blanc und Studierenden eines Studienganges für „Humanität, Solidarität und internationale Entwicklungszusammenarbeit“ zu Arbeitseinsätzen nach Albanien gereist. Beim Vorbereiten der Material- und Werkzeug-Transporte durfte ich einige dieser Jugendlichen kennenlernen. Sie absolvieren den in Frankreich und Europa einzigartigen Studiengang am https://www.iffeurope.org/ in Angers.

„Nos programmes de formation humanitaire, solidarité internationale et orientation sont conçus pour répondre aux aspirations de jeunes étudiants désireux de relever les enjeux du monde actuel. Notre raison d’être : révéler les talents de chacun d’entre eux pour qu’ils les modèlent, les transforment et les mettent au service de notre société. Plus qu’une acquisition de savoir-faire, nous proposons des programmes de formation à dimension pleinement humaine, qui visent à l’émergence de la vocation spécifique de chacun, pour qu’il devienne responsable de sa propre vie et solidaire de celle des autres.“ (Aus <https://www.iffeurope.org/ecole-humanitaire-orientation/projet-pedagogique/>).

Hoffnungsvolle Ansätze für eine solidarischere Welt!

Die drei Wochen im Caillou-Blanc sind gespickt mit vielen Gesprächen, Begegnungen, Erlebnissen. Eine besondere Überraschung war für uns der Besuch unserer Freunde Rita und Bernhard aus München. Sie verbrachten Ihre Ferien zufällig etwa 50km weiter südlich an der Küste; Grund genug, uns zu einem gemeinsamen Strand-Spaziergang und Abendessen zu treffen. Ein weiteres Highlight war der Ausflug mit Pierre, einem inzwischen pensionierten Bewohner der Gemeinschaft, zur Île de Sein am westlichsten Zipfel Europas.

Eine ganz besondere Chance bot sich uns in der dritten Woche unseres Aufenthalts: Marthe, die Tochter von Nicolas und Monique, war mit ihrer Theatertruppe „compagnie passages“ für eine Probewoche Zuhause. Über Pfingsten dann drei sehr frische und spritzige Freiluft-Aufführungen von Eugène Ionescos absurdem Theaterstück „le roi se meurt“. Eindrücklich, was diese jungen Theater-Profis an Kreativität, Idealismus und Engagement entwickelten – und schön, dass wir diese quirlige und lustvolle Zusammenarbeit miterleben durften.

Ein ganz herzliches MERCI geht an unsere Freunde Monique und Nicolas für Ihre Gastfreundschaft, für die schönen Momente gemeinsamen Arbeitens und gemeinsamer Gespräche. Auf ein hoffentlich baldiges Wiedersehen, … das nächste Mal in der Schweiz?!.

Harfe und Gesang

Ja, ich bin mir bewusst, dass schon längst ein Wochenbericht fällig wäre. Die Zeit im „Caillou Blanc“ war so dicht und voll, dass ich diese Erfahrungen in einem 3-Wochen-Bericht zusammenfassen werde (Entwurf in Arbeit). Wir haben uns am Pfingstsonntag von unseren Freunden verabschiedet und sind an die Nordküste der Bretagne (die „côte du granit rose“) weitergereist. Und Abends wieder so ein besonderer Zu-Fall: wir stehen beim Stellplatz des Parc du Randôme, entdecken dann zufällig, dass gleich daneben ein originelles Projekt steht (das http://www.levillagegaulois.org/) und beim Blick auf deren Website, dass dort in einer halben Stunde ein Harfenkonzert stattfindet. Fertig essen, Geschirr stehen lassen und los geht’s. Danach werden wir gleich mehrfach beschenkt: die bretonische Harfenistin und Sängerin MORGAN gibt im schilfgedeckten Gemeinschaftshaus des Gallierdorfes ein wunderschönes und sehr persönlich geprägtes Konzert – an der Feuerstelle. Und vor dem Eindunkeln konnten wir noch einen knappen Eindruck einiger dieser Bauten gewinnen.

Ein Mitglied der Association MEEM (Monde des Enfants pour les Enfants du Monde), freiwilliger Mitarbeiter und bald pensionierter Lehrer, erläutert mir die Geschichte dieses Vereins und dieses Ortes. 1983 beschlossen eine Handvoll Freunde, einen alternativen Freizeitpark für Kinder zu errichten. Die Idee eines gallischen Dorfes lag nicht nur aus regionalen und geschichtlichen Gründen nahe: ein solches kann nämlich mit vor Ort vorhandenen Materialien (Stein, Lehm, Wasser, Holz, Schilf) und mit einfachen Geräten in weitgehender Handarbeit errichtet werden. Ziel war und ist es, einen sinnvollen Freizeitpark zu errichten, damit Geld zu verdienen und 60% des Ertrags zu Gunsten afrikanischer Kinder zu investieren. Mit sehr viel Freiwilligen-Arbeit, mit viel Spass und Fantasie wurden sehr originelle und eindrückliche Bauten und Spiele errichtet, ein grosser Weiher angelegt, ein gallisches Restaurant mit Lehmofen eingerichtet… und sogar ein rund sechs Meter hoher Menhir aufgestellt (mit Seilen, Rollen und den vereinten Kräften mehrerer Hundert Helferinnen und Helfer). Das Ganze funktioniert nun schon über 20 Jahre und die Projektgelder für Afrika liegen weit über einer Million Euro. Heute sind sechs Personen für den Parkbetrieb angestellt, alles Andere läuft weiterhin freiwillig.

Ich bin sehr beeindruckt von dieser originellen und solidarischen Idee, von der andauernden und nachhaltigen Freiwilligen-Arbeit und vom langfristigen Nutzen, der dadurch auch in Afrika gestiftet wurde. Chapeau, allen Beteiligten!

Überraschendes Hauskonzert

,Ce qui demeure … das was bleibt. Am Freitagabend 31.Mai erhielten wir Gelegenheit, an einem Hauskonzert in privatem Rahmen teilzunehmen. Schon die Fahrt auf die Halbinsel bei Trégunc war eindrücklich: sattes Grün und üppige Pflanzenvielfalt soweit das Auge reicht. Dann kamen wir in ein grosses herrschaftliches Landhaus, dessen Salon unkompliziert für das Konzert hergerichtet worden ist. Zu Ehren der fanzösischen Chanson-Legenden Jacques Brel und Barbara war dieser Konzertabend angesagt. Die bretonische Sängerin, Komponistin und Gesangslehrerin Fabienne Marsaudon interpretierte ausgewählte Chansons und kommentierte die Auswahl in äusserst einfühlsamer und sympathischer Art. Begleitet vom virtousen Spiel des (Jazz-)Pianisten Michel Précastelli, dessen Tessiner Wurzeln beim nachfolgenden Gespräch zum Vorschein kamen. Dieser Abend war ein Geschenk der besonderen Art: zum einen die Begegnung mit der wunderbar poetischen Sprache eines Jacques Brel, dann eine subtile Schilderung der künstlerischen Begegnungen zwischen Brel und Barbara und schliesslich unsere Begegnung mit zwei höchst behutsamen, bescheidenen und feinfühligen Interpreten ohne jede Starallüren. Ein einziger Genuss, auch was das nachfolgende PicNic betrifft.

Ce qui demeure – das was bleibt. Fabienne Marsaudon hat unter diesem Titel eine CD mit eigenen Kompositionen und sehr lebensnahen und feinfühligen Texten eingespielt. Kleine Kostprobe auf Youtoube.

Ce qui demeure

Il y a ce qui passe
et puis ce qui demeure
Il y a ce qui s’efface
ce qui jamais ne meurt

Il y a le superflu
l’anodin, l’anécdote
et puis le jamais vu
l’essentiel, l’antidote

Il y a ce qui s’achète
ce qui n’est pas à vendre
Il ya ce qui s’arrête
ce qui marche sans se rendre

Il y a tout ce bruit
et le chant de la mer
Il y a ce qui s’enfuit
et puis ce qui éspère

Il y a ce qui fleurit
et puis ce qui s’étiole
Tout ce qui porte fruit
et tout ce qui s’envole

Il y a les ouragans
et les neiges éternelles
Il y a ce qui ment
et ce qui se révèle

Il y a derrière les choses
une inlassable voix
qui offre, qui propose
et nous laisse le choix. (Text: Fabienne Marsaudon)