magisch – mysteriös – genial: „le mystère des Faluns“ à Doué-la-Fontaine

Wir sind verzaubert: so einen eindrücklichen Museumsbesuch haben wir noch selten erlebt. Da steigt man zunächst rund 15 Meter hinab in rund 10 Millionen Jahre alte Erdschichten des Muschelkalks. Dann wird man gewahr, mit welch riesiger Arbeit, einfachster Technik und grossem Geschick die Bauern im 18./19.Jahrhundert hier zahllose Steinquader ausgebrochen und an die Oberfläche gehievt hatten. Ein schier endloses System flaschenförmiger Kavernen ist so entstanden. Und schliesslich staunen wir über die 2018 eröffnete, höchst sensibel umgesetzte und hochmoderne Szenographie. Es ist ein staunendes Eintauchen mit allen Sinnen in das Paläozoikum, fast gar ein Heraustreten aus Raum und Zeit. Unbedingt sehens- und erlebenswert!
Zur Website „Mystère des Faluns“


Les fermes troglodytes de Louresse-Rochemenier – Höhlenwohnungen mit unterirdischem Bauernhof

Das untere Loire-Tal ist offensichtlich nicht bloss jahrtausendealtes Schwemmland, sondern eine Gegend, die im Erdzeitalter des JURA und danach in der Kreidezeit vom Meer überflutet war. Zu jener Zeit hätten hier tropische Klimaverhältnisse geherrscht – und das Meer habe grosse Sand-Alagerungen hinterlassen. (vgl. obiges Foto)

Le Tuffeau – https://www.tuffeau.com/p28,le-tuffeau-de-la-vallee-de-la-loire
eine reichhaltige Website mit allem Wissenswerten über den Tuffstein im Loire-Tal

Kalktuff – https://de.wikipedia.org/wiki/Kalktuff (Wissenswertes in deutsch)

Le Falun – https://fr.wikipedia.org/wiki/Falun_(g%C3%A9ologie)
das ist der Muschelkalk, in Abgrenzung zum gewöhnlichen Sandstein, in der Gegend von Doué-la-Fontaine besonders häufig und vorherrschend.

In den vergangenen Jahrhunderten haben Menschen sich ihren Reichtum aus dem Boden geholt: so wurde etwa der zerriebene Falun (Muschelkalk) als Sand verkauft, es wurden Blöcke von Tuffeau rausgeschnitten, an die Oberfläche gehievt und dann wurden die Blöcke für den Hausbau verkauft … und schliesslich bot sich in den so entstandenen Kavernen ein wunderbar ausgeglichenes Wohn- und Arbeitsklima. Ganze Siedlungen und Bauernhöfe sind auf diese Weise im „Sousol“ entstanden.
Das Museum des Höhlendorfes in Louresse-Rochemenier lohnt einen Besuch unbedingt: http://www.troglodyte.fr/index.html

La champignonnière du Saut du Loup

In den unzähligen und teils kilometerlangen Stollen des Anjou wurde jahrhundertelang jener Sandstein abgebaut, der die vielen Schlösser, Kirchen und Dörfer überhaupt erst entstehen liess. Heute werden diese Stollen vielfältig genutzt. Hier zur Zucht von Speisepilzen: Gaumenschmaus und Augenweide zugleich.

Klein aber fein – und ein starker Hauch von Welt …

In Montsoreau an der Place du Mail trafen wir am Sonntag zufällig auf den Salon de thé „Le2“. Teestube, dezente Jazz-Musik, sehr persönlich eingerichtet; in der Galerie im Nebenraum wird ein indischer Maler ausgestellt – und wunderschöne ausgewählte Produkte, Schals und Schmuck, sind zum Verkauf. Da liegt es natürlich auf der Hand nachzufragen: Richard, der Inhaber, hat – nach vielen Jahren als Projektingenieur im Ausland und besonders in Indien – sich nach der Pensionierung hier „zur Ruhe gesetzt“ und tut jetzt nur noch was ihm Spass macht. Eine sehr angenehme und inspirierende Atmosphäre!

Excursion á St.Nicolas-de-Bourgeuil

Woche 6 / 29.April bis 5.Mai 2019

Höchste Zeit wieder etwas zu schreiben. Der Bus ist gepackt; morgen Montag vormittag geht es weiter. Wir verlassen das Château du Petit Thouars, wo wir nun über mehr als zwei Wochen unseren Workaway-Einsatz absolvierten. Nun bleiben uns zwei Wochen Transfer-Zeit, bis am 17./18.Mai in Clohars-Fouesnant in der Bretagne der nächste Einsatz beginnt.

Das Loire-Tal mit seinen Schlössern haben wir nun gesehen: und dass wir zuletzt noch ein Schloss „von innen“ erleben durften, war bestimmt ein besonders lehrreicher Eindruck. Denn auch nach gut zwei Wochen bleibt die Bilanz eindeutig: hier gibt es – auch noch Jahrhunderte nach der französischen Revolution – einen offensichtlichen Unterschied zwischen Schlossbesitzern und Bediensteten. (Entgegen meiner Annahme im vorausgehenden Artikel.) Erstaunlich, da es sich bei den Schloss-Erben ja eigentlich um ein junges Paar handelt, das zuvor in Paris gelebt hatte. Uns gelang es bis zuletzt nicht wirklich, ein lockeres, vertrauensvolles und von gegenseitigem Interesse geprägtes Verhältnis zu den Hosts aufzubauen – und unsichtbare aristokratische Grenzen zu durchbrechen. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass diese mit all ihren Aufgaben und den organisatorischen Anforderungen ziemlich ge(über)fordert sind.

Ganz anders jedenfalls die zahlreichen Begegnungen mit den anderen Hand-Arbeitern. Hier ergaben sich wunderbare, fröhliche, lustige und hilfsbereite Begegnungen, hier war gegenseitiges Interesse spürbar und wir brachten in dieser Zeit auch richtig viel gemeinsam Zustande: eine riesige Parkanlage gemäht, viele (Rosen-)Beete gejätet, für die Kinder einen kleinen Garten angelegt und ein Zeltgerüst aufgebaut, geputzt, geordnet …etc. Renata hat beim Jäten verschiedene Phasen durchgemacht, sich zuweilen über das Desinteresse der Hosts gewundert, geärgert – und schliesslich zur Einsicht gefunden, dass sie dies den Rosen zuliebe tun will. Wunderbare Einstellung. Das erinnert mich unweigerlich an die Worte von Angelus Silesius:
„Die Ros‘ ist ohn Warum,
sie blühet weil sie blühet,
sie tracht‘ nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie siehet“.

Wir konnten insgesamt gut für unser inneres Wohlbefinden sorgen und uns wenn nötig abgrenzen: der eigene Camper im Hof war uns zuweilen für kurze Momente ein hilfreicher (und warmer) Rückzugsort. Zudem sorgte der erste Mai für einen entspannten Unterbruch.

Das vergangene Wochenende hatten wir mit einem „Kompensationstag“ zu einem dreitägigen Ausflug verlängert: Villaine-les-Rochers, ein kleines beschauliches Dorf im Departement Indre et Loire, ist in ganz Frankreich als Zentrum der Korbflechterei bekannt. Ein interessantes und sehr anschauliches Museum gibt Einblick in alle Facetten dieses Handwerks. Ein Rundgang durch das Dorf, die teils in Höhlenwohnungen befindlichen Korber-Werkstätten und durch die Haine und Felder mit Korbweiden, lässt die jahrhundertealte Tradition dieses Dorfes lebhaft nachvollziehen. Inspirationen für die zahlreichen Bünde sortierter Weidenruten, die noch zuhause in meinem Schopf lagern. Zur Galerie „Villaine-les-Rochers“.
Von hier aus ging’s weiter nach Tours, der Stadt des heiligen Martins. Park&Ride, per Bus in die Innenstadt, Kathedrale, Museum über das französische Handwerkswesen bzw. über die Handwerker auf der Walz, auf der Tour de France (museum de la Campagnonnage), Museum für zeitgenössische Kunst (CCCOD – centre création contomporaine olivier debré), alles gute Möglichkeiten, der ungewöhnlichen Kältewelle auszuweichen. Wir merkten aber wieder einmal mehr, dass wir nicht für Grossstädte gemacht sind – und zogen am frühen Abend weiter zu einem wunderschönen und ruhigen Stellplatz direkt am Ufer des Cher, im beschaulichen Dorf Savonnières. Von hier aus konnten wir am Montag zu Fuss das nahegelegene Schloss Villandry mit seiner einzigartigen Gartenanlage besuchen. Zur Galerie „Villandry“

Gestern Samstag dann nochmals ein ganz besonderes Ausflugs-Erlebnis: François, der Chocolatier (vom Tag der offenen Tür) hat uns auf eine Randonnée in St.Nicolas-de-Bourgeuil eingeladen. Mit dabei ein befreundetes Paar aus Orléans. Wir treffen uns direkt beim grossen Weingut „la chopiniére du roy“ in St.Nicolas-de-Bourgeuil, dem einzigen Ort in Frankreich, der gleich eine gemeindeweite AOC-Anerkennung (Cabernet Franc) erwirken konnte. (Fazit davon: alle Bauern hatten danach ihre traditionellen Mehr-Sparten-Betriebe sukzessive umgestellt, Gemüse-, Obstbau und Viehhaltung aufgegeben und vollumfänglich auf Rebbau gesetzt. Profit statt Biodiversität.)
Zunächst ein lehrreicher Rundgang durch die riesigen, flachen Weingärten auf ziemlich sandigem Boden. Auch hier sind die Weinbauern mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert und experimentieren mit allerlei Mitteln, wie den zunehmenden Frost-Risiken zu begegnen sei. Jene Felder, die in kritischen Nächten mit Sprühregen berieselt worden sind, weisen deutliche Wachstums-Vorsprünge auf. An einer andern Stelle wurde mit einem gasbetriebenen Windrad experimentiert: dieses wälzt in den kritischen Nächten die oberen wärmeren Luftschichten um (auf 10-15m) und verteilt die wärmere Luft in bodennahe Schichten. Auch hier ein sichtbarer Wachstumsunterschied gegenüber den unbehandelten Zonen.
Nach einem deftigen Mittagessen nach Winzerart und diversen Weinproben konnten wir am Nachmittag einen zweiten Rundgang machen. Am oberen Dorfrand liegen riesige Weinbergflächen am leicht ansteigenden Hang; mittendrinn eine Art „Tunneleinfahrt“. Der Eingang in ein rund 25 Hektaren grosses gemeinschaftliches Kellersystem unter den Weinbergen. In diesen ehemaligen Steinbrüchen wurde jener Sandstein abgebaut, mit dem die zahlreichen Schlösser, Kirchen und Kathedralen der Umgebung errichtet wurden. Unvorstellbar, wieviel Schweiss und Handarbeit allein schon für den Abbbau nötig war. Rund 400 Meter führt der Weg unter den Weinbergen hindurch, bis der Degustationskeller dieses Weinguts errreicht ist. Hier lagern jene Weine, die im Barrique ausgebaut werden. Eine eindrückliche Szenerie … wenn auch die hier gekosteten Weine mir persönlich nicht besonders gehaltvoll und abgerundet erscheinen.
Gegen Abend lädt uns François noch zu einem Apéritif zu sich nach Hause ein. Bei Crémant aus der Gegend von Saumur-Champigny lässt sich wunderbar diskutieren. Das angeregte Gespräch und damit der Apéritif ziehen sich bis nach 21 Uhr hin: einmal mehr ein wunderschönes Erlebnis, wie fünf wildfremde Menschen – allerdings alle in ähnlicher Lebenslage, wir zwei gut sechzig und die andern drei um die siebzig – sich in kürzester Zeit in einem vertrauensvollem Gespräch finden und über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg Gemeinsamkeiten entdecken können. Merci beaucoup, François.

Klar ist: die nächste Etappe wollen wir den Steinbrüchen und Höhlen des Anjou widmen. All dem, was weniger offensichtlich, weniger prunkvoll und meist unter der Oberfläche liegt – und den Prunk der Loire-Schlösser überhaupt erst möglich gemacht hat.


Stimmungsbilder aus dem unteren Loire-Tal