Das Capo Bianco ist ein weithin sichtbarer Kreidefelsen nahe der Ausgrabungsstätte Eraclea Minoa, 37 km westlich von Agrigento an der Südküste Siziliens. Wind, Wasser und Wetter haben diese Mergel-Schichten (kalk- und tonhaltiges Sediment-Mischgestein, feine planktonreiche Schlickablagerungen) in faszinierenden Formen ausgewaschen. Die verschiedenen Tageszeiten erzeugen spannende Lichtspiele und Farb-Harmonien.
Aus Stein gehauen – Cave di Cusa und die Tempel von Selinunte
Wir sind wieder mal unserer Leidenschaft auf der Spur: schlichte und einfache Formen in Stein. Spuren der Zeit und der Vergänglichkeit. Zunächst besuchten wir die Cave di Cusa, jene Steinbrüche, in denen die riesigen Säulen für die griechische Tempelanlage von Selinunt direkt aus dem Boden gehauen wurden. Was heute ein lieblicher Olivenhain ist und zum Spaziergang einlädt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Steinbruch im Tagebau: offenbar wurde der Kalkstein in dieser flachen Gegend etagenweise dem Boden abgerungen, Lage um Lage. Die sich konisch verjüngenden Säulen-Elemente sind zum Teil mannshoch mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern. Ein Rätsel, wie solche Werkstücke damals gehoben und über hopprige Strassen nach Selinunte transportiert werden konnten.
(Das erinnert uns unweigerlich an die Steinbrüche im Anjou, in denen der Muschelkalk für den Bau zahlreicher Loire-Schlösser aus dem Boden gehauen wurde. Dort oft in Flaschenform in die Tiefe hinunter.)
Geschützt: Zu-fälle: Augenzwinkern eines höheren Bewusstseins?
Sizilien-Süditalien 2019: Wochenbericht 1
Am Montagmorgen 23.September hatten wir noch die Steuer-Schätzung im Hause. Das Auto bereits gepackt, verabschiedeten wir uns dann mit einem gemeinsamen Zmittag von Lisa und Lukas.
In angenehmer und flüssiger Fahrt geht es Richtung Genua, über den San Bernardino ins Tessin. In Mendrisio verlassen wir die Autobahn und beschliessen einen spontanen Übernachtungshalt in Meride. In diesem typischen Tessinerdorf am Fusse des Monte San Giorgio hatte Christoph bereits in seiner Kindheit Ferientage im Albergo seiner Tante Maria verbracht. Stellplatz ausserhalb des Dorfes. Beim abendlichen Spaziergang treffen wir auf dem menschenleeren Dorfplatz tatsächlich auf den mittlerweile 70-jährigen Cousin Stefano. Diese zufällige Begegnung mündet in einen Apéro-Besuch bei Cousine Rita, ein Pizza-Essen, lebhafte Gespräche. Am nächsten Morgen dann die herzliche Verabschiedung beim Capuccino auf dem Dorfplatz.
„Sizilien-Süditalien 2019: Wochenbericht 1“ weiterlesenIl grande cretto – der grosse Riss
In der Nacht vom 14. zum 15.Januar 1968 zerstörte ein gewaltiges Erdbeben die 6000-Einwohner-Stadt Gibellina und mit ihr viele weitere Dörfer im westsizilischen Belice-Tal, einer sehr armen bäuerlichen Bergregion. Über tausend Menschen kamen dabei um und mehr als hunderttausend Menschen wurden obdachlos. Den Berichten nach löste dieses Unglück zwar grosse Hilfsbereitschaft aus; es seien aber grosse Teile der Hilfsgelder in mafiösen Kanälen versickert, während die Bevölkerung immer noch in notdürftigen Baracken hauste.
„Il grande cretto – der grosse Riss“ weiterlesenParco dello Zingaro
Ende der 1970er-Jahre sollte das einzigartige Gebiet des Parco dello Zingaro im Nordwesten Siziliens mit einer Verbindungsstrasse zwischen Scopello und San Vito lo Capo erschlossen werden. Das hätte den Weg bereitet zum Bau von Ferienhäusern und Hotels. Doch in der Bevölkerung rührte sich plötzlich Widerstand, Tausende empörte Sizilianer besetzten das Gebiet und zwangen die Regierung zum Einlenken. Der rohe Tunnel-Durchbruch am Eingang des Parco ist mit dem Protestmarsch vom 18.Mai 1980 zum Symbol des zivilen Widerstands geworden, bei dem sich einfache Menschen wie auch Leute aus Wissenschaft, Kunst und Naturschutz gemeinsam formierten. Der Parco dello Zingaro wurde damit zum ersten Nationalpark Siziliens. An der Felsenküste und in den Bergflanken des Parks sind rund 7000 Pflanzen heimisch, darunter zahlreiche Orchideen-Arten und endemische Pflanzen.

„Ich brauche nicht mehr“
„Ich brauche nicht mehr“ von Ines Maria Eckermann, Tectum Wissenschaftsverlag 2019
I.M.Eckermann gibt mit diesem umfangreichen Buch einen guten Abriss über einen anspruchsvollen Themenbogen: Glück und Lebenskunst in der antiken, griechischen Philosophie, die keineswegs neue Sucht des „immer mehr“ (Pleonexia), welche sie als dem Kapitalismus und Konsumismus eigen beschreibt. Schliesslich wird detailreich und unterhaltsam dargelegt, welche Rolle Medien und Marketing in einer kapitalistischen Welt einnehmen. Dass die sattsam bekannten „Grenzen der Wachstumsgesellschaft“, die Ressourcenknappheiten sowie die Umweltbelastungen ein Umdenken erfordern, wirkt heutzutage recht offensichtlich und nachvollziehbar. Die Autorin liefert viele konkrete Ideen und Tipps zu einem minimalistischen, rücksichtsvollen und nachhaltigen Lebensstil und plädiert für eine Konsumgelassenheit. Wenn der Schreibstil zuweilen auch etwas salopp und leichtfüssig daherkommt, so sind die Gedankengänge jedenfalls umfassend und fundiert und das Buch liest sich locker. I.M.Eckermann scheut nicht zurück vor sehr kritischen Gedanken zum zuweilen paradoxen Verständnis von Arbeit und sie hat viele ihrer Anregungen auch selbst ausprobiert. Vor allem die fundierten Bezüge zur griechischen Philosophie scheinen mir sehr erhellend und einleuchtend und machen deutlich, dass die Suche nach Glück, Erfüllung und Gelassenheit alle Kulturen durchdringt; Lebenskunst als ur-menschliches Thema.
Vom Suchen und Finden
„Es ist extrem schwer die Wahrheit herauszufinden wenn man die Welt beherrscht. Man hat einfach viel zu viel zu tun. Die meisten politischen Oberhäupter und Wirtschaftsmoguln sind ständig beschäftigt. Doch wenn man sich eingehend mit einem Thema beschäftigen will, braucht man viel Zeit, und vor allem braucht man das Privileg, Zeit verschwenden zu können. Man muss mit unproduktiven Wegen experimentieren, Sackgassen erkunden, Raum für Zweifel und Langeweile schaffen und zulassen, dass kleine Samen der Erkenntnis nur langsam gedeihen und blühen. Wer es sich nicht leisten kann, Zeit zu verschwenden, der wird die Wahrheit niemals finden.“ (Aus: Yuval Noah Harari, 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert, C.H.Beck-Verlag, München 2018)
In Trogen regnet es heute – nach einer längeren Spätsommer-Phase – wieder mal kräftig. Wir haben gepackt und sind bereit für den Zug (bzw. die Fähre) mit den Vögeln in den wärmeren Süden: Sizilien und Kalabrien sind die nächsten Destinationen. Was wir wohl finden werden?
Erklär mir Italien! – wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt?
Wir stehen in der Vorbereitung zu unserer zweiten grösseren Reise-Schlaufe: mit der Fähre von Genua nach Palermo. Die Spätherbst-Monate wollen wir der Erkundung Siziliens sowie des italienischen Mezzogiorno (Kalabrien, Apulien, Basilikata) widmen und dabei auch wieder beim einen oder andern Workaway-Einsatz in die lokalen Lebenswelten eintauchen.
Roberto Saviano / Giovanni di Lorenzo,
Erklär mir Italien! – wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt?
Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2017
Eine Freundin hat uns auf dieses spannende Buch aufmerksam gemacht und dieses als Einführungslektüre empfohlen. Warum ist (Süd-)Italien wie es ist? Weshalb einerseits diese ansteckende Herzlichkeit und Lebensfreude – und anderseits dieses ständige Unbehagen bezüglich undurchsichtiger (mafiöser) Absichten?
Der Schriftsteller Roberto Saviano hatte mit seinem Buch „Gomorrha“ eine scharfsinnige und vielbeachtete Analyse über die Machenschaften der neapolitanischen Camorra geliefert – und sich damit eingehandelt, dass er seither inkognito und mit Personenschutz leben muss. Seine Weltsicht ist dadurch massiv pessimistisch (realistisch?) geprägt, seine Lebensqualität durchaus frag-würdig, sein kompromissloser Einsatz für Transparenz und Freiheitlichkeit umso erstaunlicher; und seine Darstellung der geschichtlichen Zusammenhänge bzw. die Hypothesen über die Bedingungen der „italienischen Seele“ sind zumindest bedenkenswert und aufschlussreich. Ich möchte das Buch nicht zusammenfassen. Hingegen wähle ich einfach einige Zitate aus, die mich persönlich anregen und bei mir „hängenbleiben“:
„Erklär mir Italien! – wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt?“ weiterlesenZeit zum Vatersein – Chancen einer befreienden Lebensrolle
In den Jahren 2003 bis 2007 konnte ich im Auftrag des eidgenössischen Gleichstellungsbüros das Projekt „Väter gewinnen“ durchführen. Bei diesem Projekt ging es darum, Väter zu partnerschaftlicher Rollenteilung in der Familie und damit zu teilzeitlicher Erwerbsarbeit zu ermutigen. Was heutzutage auch in der Schweiz schon deutlich an Boden gewonnen hat, war zu jener Zeit immer noch ziemlich exotisch. Mein Engagement in der Männerarbeit, im Forum Mann St.Gallen und in der schweizweiten Bewegung von maenner.ch bzw. im vaeternetz.ch schuf den nötigen Background zu diesem Projekt.
Nach Abschluss der vierjährigen Projektlaufzeit konnte ich – mit Unterstützung des Lotteriefonds St.Gallen sowie der männerpolitischen Grundsatzabteilung im österreichischen Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz – ein zusammenfassendes Buchprojekt erstellen. Dieser Beitrag ergänzt das vorausgehende Thema und dient der persönlichen Archivierung.
Autor: Christoph Popp
ISBN 978-3-200-01125-0
Verlagsort, Herstellungsort: Wien
Erscheinungsjahr: Juni 2008
Diese Publikation kann beim BMSK-Bestellservice unter 0800-20 20 74 oder https://broschuerenservice.bmsk.gv.at bezogen werden.
(Hier als pdf-Version. Die gedruckte Version ist in Restexemplaren nur noch beim Autor erhältlich.)