„Corona“ hat uns bewogen, frühzeitig aus Süditalien nach Hause zu fahren, gewissermassen ins Winterquartier. Da kommen mir die Bücher von Christine Thürmer mehr als gelegen. Unterhaltsame Lektüre, ein spannendes und beeindruckendes Lebenskonzept und eine wunderbare Inspirationsquelle. Direkt, bodenständig, ungeschminkt, humorvoll, natürlich …. Adjektive die sowohl die Sprache als bestimmt auch die Autorin auszeichnen.
Denn tatsächlich beeindruckt mich nicht nur die schier unglaubliche Wanderleistung, die diese Frau in grosser Beharrlichkeit (dieser Begriff kann eigentlich nicht funktionieren, da sie ja eben gerade nicht verharrt, vielmehr extrem mobil und beweglich ist) erbringt. Noch mehr ist es ihre bodenständig-pragmatische Art, ihre unspektakuläre und auf Wirkung fokussierte Haltung. Auf Marken-Kult und HighTech-Firlefanz fällt sie nicht herein. In höchst eigenständiger Manier prüft sie ihre Ausrüstungsgegenstände und wählt nur, was die beste Wirkung erzeugt und dabei so leicht als möglich ist. Ein konsequenter Minimalismus als Lebenskonzept.
Diese sichtliche Bescheidenheit ist es, die mich anspricht und überzeugt. Mit möglichst einfachen Mitteln (da diese weniger externe Energiequellen benötigen, selbst reparierbar sind, oft auch gewichtsmässig leicht und vielerorts erhältlich sind) stattet sie sich aus – und schafft doch eine unübertroffene Wanderleistung. So wenig wie nötig, so einfach wie möglich, so leise und diskret wie geboten. Da folgt die Nachhaltigkeit auf den Schritt … und bedarf keines CO2-Kompensationsprogramms.
Dass dieses Konzept ohne „Gring ache u seckle“ auskommt, ohne „Quäl-Dich“-Philosophie im Kraftraum und ohne aggressives Selbstmarketing, macht es zusätzlich sympathisch. Und der lockere, spritzig-humorvolle Schreibstil lässt erahnen, dass ihr dieses Leben total Spass macht. Was will man mehr. Zur Nachahmung empfohlen; und lasst es mich wissen … ich komme mit.
Und hier noch eine Kostprobe mit Autoren-Portrait (Zitate aus verlinkter Quelle):
Als Christine Thürmer gekündigt wird, beschließt sie, sich eine Auszeit zu nehmen und auf dem Pacific Crest Trail von Mexiko nach Kanada zu wandern – 4277 Kilometer. Eigentlich unsportlich und ohne Erfahrung bricht sie zu ihrem Abenteuer auf und schafft es tatsächlich bis ans Ziel. …
Christine Thürmer – unter Outdoorfans bekannt als German Tourist – gehört zu den meistgewanderten Menschen weltweit und wurde auch mit dem Triple Crown Award ausgezeichnet.Im Interview spricht sie über die körperlichen und mentalen Herausforderungen beim Weitwandern und gibt Tipps, welche Fernwanderwege in Europa besonders für Anfänger geeignet sind.
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Wie die meisten Langstreckenwanderer ernähre ich mich nach der See-Food-Diät: „See food, eat it! – Siehst du Nahrung, iss sie!“. Morgen esse ich meistens zum Frühstück Müsli, angerührt mit kaltem Wasser. Auf Milchpulver verzichte ich, weil das leider nur in unpraktischen Großpackungen erhältlich ist. Kaffee oder Tee entfällt bei mir morgens ebenfalls, denn die Zubereitung würde nur Brennstoff und Zeit kosten ohne Kalorien zu liefern. Alternativ kann man auch Kekse oder Poptarts frühstücken, ein bei amerikanischen Thruhikern* sehr beliebtes süßes Teiggebäck mit Zuckerglasur, – und manchmal gibt es auch Kartoffelpüree.
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Du bist über 45.000 km gelaufen – wie hält Dein Körper diese Dauerbelastung aus?
Zunächst mal betreibe ich ja keinen Leistungssport, sondern mache lediglich das, wofür unser Körper mal konzipiert worden ist: Laufen! Jahrtausende lang sind unsere Vorfahren als Jäger und Sammler gewandert – und ich mache nichts anderes! Dabei bin ich weder besonders schnell noch besonders schwer unterwegs und breche auch keine sonstigen Rekorde, sondern kann mich dabei auch noch relativ gut und ausgewogen ernähren. Und daher kommt mein Körper ausgesprochen gut mit der Dauerbelastung klar! Nicht ich mache etwas Ungewöhnliches, sondern der Großteil der Bevölkerung der Industrienationen, denn eine dauerhaft sitzende Tätigkeit bekommt unserem Körper viel schlechter als wandern
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Denkst Du daran, mal wieder sesshaft zu werden?
Nein, ganz im Gegenteil! Je länger ich unterwegs bin, desto mehr Ideen für neue Touren bekomme ich! Ich habe eher Angst, dass ich nicht mehr alles schaffen werde!
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Dein Lieblingsort
Der Wald, und zwar völlig egal, ob es sich um eine Fichtenschonung in der Uckermark, einen Zypressenwald in den Sümpfen Floridas oder einen Eukalyptuswald in Australien handelt. Der Wald verbirgt mich beim Zelten, gewährt mir Schutz vor den Elementen und ist vor allem wunderschön
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Was hast Du bei Deinen Reisen immer dabei?
Zelt, Schlafsack und Isomatte, denn unterwegs schlafe ich fast ausschließlich im Zelt oder unter freiem Himmel.
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Dein liebstes Buch für unterwegs?
Beim Wandern, Radfahren oder Paddeln höre ich stundenlang Hörbücher – und zwar querbeet vom amerikanischen Krimi bis zu den deutschen Klassikern. Besonders begeistert hat mich das Nibelungenlied, das ich mir in Mittelhochdeutsch mit neuhochdeutscher Übersetzung und Kommentierung durch Peter Wapnewski angehört habe.
Bücher in Papierform erleiden bei mir ein hartes Schicksal: Die gelesenen Seiten werden am nächsten Morgen sofort als Klopapier weiterverwendet. Das mache ich allerdings nur aus Gewichtsgründen – und unabhängig vom Inhalt des Buches.
Weite Wege Wandern — Inhalt
Die Bibel des Langstreckenwanderns
Nach über 45.000 Kilometern zu Fuß gilt Christine Thürmer als die Expertin fürs Langstreckenwandern und hat Antworten auf alle Fragen rund ums Weitwandern: Warum bereite ich mich besser am Computer als im Fitnessstudio auf eine Tour vor? Wieso sollte ich keine Unterhose, aber einen Müllsack mitnehmen? Und was an diesem Leben macht so unfassbar glücklich? In diesem Buch finden sich nun endlich ihr geballtes Wissen, ihre zahlreichen Erfahrungen, die wichtigsten Tipps und Tricks. Ein Muss für alle, die selbst den Rucksack schultern möchten oder immer mal wissen wollten, wie das Leben unterwegs tatsächlich aussieht.